Am 09.08.2021 war es endlich wieder so weit: Die Segelcrew, bestehend aus den Pfadfinder*innen des Stamm Oberons und Freund*innen von überall her, stach mit dem Segelschiff Bree Sant in See. Nachdem das Orga-Team keine Kosten und Mühen gescheut hat und bereits am Tag vorher mit schwerem Gepäck auf das Schiff geklettert ist, kamen die meisten Segler*innen offiziell am 09.08.21 am Hafen in Enkhuizen an. Die Truppe verstaute erstmal ihr Gepäck in den Kajüten und bevor die Leinen gelöst wurden, stellten sich Jan und Jan, die Chefs der Bree Sant, vor. Sie erklärten einige grundlegende Regeln für unsere gemeinsame Zeit. Eine wichtige Regel ist beispielsweise, dass man beim Segeln die Vorder- und Hinterseite des Decks nicht verwechselt. Denn „[hinten] ist da, wo Jan ist.“. Also nicht Jan der Maat, sondern Jan der Skipper natürlich! Jan der Skipper, dem die Bree Sant gehört, hält sich vorwiegend hinten auf, da er auch der Steuermann ist und von dort aus lenkt. Dahingegen ist der andere Jan der Matrose und wechselt stetig seinen Platz. Er weist uns in unsere Aufgaben ein und ist immer mit dabei. So gegen 12 Uhr wurden dann zum ersten Mal die verschiedenen Knoten gelöst und die Schutzbezüge von den Segeln genommen. Zudem wurden sogenannte Fender – Puffer aus Kork, Tauen oder Reifen bestehend, die zum Anlegen an den Hafen benötigt werden und an den Außenwänden der Bree Sant befestigt sind – gelöst. Das Plattbodenschiff besitzt vier Segel, aber je nach Wind und Wetter werden nicht alle gehisst. Als wir das Ijsselmeer erreicht hatten, ging es auch schon an die Arbeit und die Segel wurden hochgekurbelt oder hochgezogen, wobei auch schon die ersten Muskeln trainiert wurden. Nach dieser Anstrengung hieß es natürlich erstmal entspannen. Wir nahmen Fahrt auf und der Schiffsbug schob sich deutlich schneller durch die Wellen. Pfadfinder und Pfadfinderinnen machten es sich an Deck gemütlich, und die Teilnehmer*innen aus ganz Deutschland und der Schweiz lernten sich besser kennen. Bald war es auch schon an der Zeit für den ersten Lunch von Chefkoch Erik, der wie immer alle mit seinen Künsten überzeugte. Doch die Segel blieben nicht lange oben, denn bevor wir einige niederländische Inseln des Wattenmeers ansteuern konnten, mussten wir durch die Schleuse fahren, die das Süßwasser von Salzwasser trennt. Anschließend hieß es wieder Segel hochkurbeln, Knoten lösen oder neu befestigen, Taue ziehen oder aufwickeln oder auch mal mit dem riesigen Holzsteuer bei Jan das Gefährt lenken, eben das, was Segler so machen.
Aber es war auch genug Zeit um zu entspannen, etwas zu lesen oder zu spielen. Gegen Abend sind wir in Haarlingen eingelaufen. Die Aufgaben für das gemeinsame Zusammenleben wurden abwechselnd erledigt, wie das Kochen. So war auch an diesem Tag die erste Kochgruppe, die Erik unterstützt hat, fleißig und nach dem Dinner unten im Aufenthaltsraum waren selbst die letzten Zweifler – falls es denn welche gab – von den Köstlichkeiten überzeugt. Das Inselstädtchen wurde inspiziert und der schöne holländische Stil der Häuser bewundert. An Deck wurde auch bald die erste Singerunde eröffnet, wobei gute Stimmung aufkam und aus den zahlreichen Liederbüchern der verschiedenen Stämme gesungen und Gitarre gespielt wurde. Der erste Tag des Segeltörns klang mit guten Gesprächen und Hafenspaziergängen aus. Alte Freunde waren glücklich, sich wieder zu sehen und neue Freundschaften begannen
bereits, sich zu entwickeln.
Nach der ersten Nacht im Bauch der Bree Sant wurden die Frühaufsteher*innen von einem leckeren Duft aus der Küche geweckt, ganz nach dem Motto „Der frühe Vogel bekommt die Pancakes!“. Nachdem das Frühstück im Schiff oder auf Deck mit Blick auf das Meer verspeist wurde, wurde Haarlingen auch bald wieder der Rücken gekehrt. Die Segel wurden gehisst und bei einer Änderung der Windrichtung wurden Wenden gefahren. Das bedeutet, die Segel mussten umgedreht werden, damit der Wind optimal genutzt werden konnte. Es wurde wieder tatkräftig mit angepackt, Schiffsknoten wurden geübt, Segel aus- oder eingepackt, hochgekurbelt oder zusammengefaltet. Das Falten des großen Hauptsegels war eine wahre Challenge und ein Training der Gruppenzusammenarbeit. Die Sonne lachte an diesem Tag förmlich vom Himmel und lud zum Faulenzen an Deck ein. Von dem beruhigenden Wellengeschaukel mit all seiner Regelmäßigkeit und Unregelmäßigkeit träumte so manch einer noch nach der Freizeit. Es wurde spekuliert, es noch beim Einschlafen im Bett spüren zu können, wenn man wieder auf festem Boden lag. Das Klüvernetz wurde ausgetestet, wobei die mutigen Segler*innen an der Vorderseite des Schiffs über dem Meer hingen. Senkte man seinen Blick nach unten, konnte man die Wellen an den Schiffsbauch klatschen sehen. Gegen Abend erreichten wir unseren zweiten Stopp, Ameland, wo es tolle Dünen mit den dafür typischen Schafen und vieles mehr zu entdecken gab. Die Pfadfinder*innen erkundigten das Festland, nutzten die Duschmöglichkeiten am Hafen oder gingen für den nächsten Tag einkaufen, ein Eis essen oder blieben im Schiff. Nach dem Abendessen wurde eine Singerrunde an Deck eröffnet, wobei wir vor lauter guter Laune immer lauter wurden. Doch das störte niemand, ganz im Gegenteil. Unser Nachbarschiff, welches nebenan im Hafen lag, war begeistert. Die Passagiere dort hörten aufmerksam zu und applaudierten sogar. Anscheinend war unsere gute Laune ansteckend. Der Abend neigte sich mit Spaziergängen, guten Gesprächen oder einem spannenden Buch unter dem Sternenhimmel dem Ende zu. Einige Nachteulen wurden bei ihrem Spaziergang von einem ganz besonderen Phänomen überrascht: Im Hafenbecken glitzerte das Wasser. Diese Entdeckung war keine Einbildung. Denn wenn man einen Stein hineinwarf, entstanden leuchtende Wellen. Es war magisch, plötzlich war das Wasser wie von Neonfarben erfüllt. Staunend, fasziniert und voller Fragen beobachteten wir es, bis andere Segler vorbeikamen und uns erklärten, dass das fluoreszierende Algen waren. Es war wirklich ein Wunder der Natur, was wir in dieser Nacht entdeckten.
Die nächsten Tage gingen wie im Flug vorüber, wobei auch das Wetter teilweise fast schon zum Fliegen einlud. Der Wind sorgte für ein schnelles Reisetempo, wobei die gute alte Zwiebeltechnik dennoch für angenehme Temperaturen an der frischen Luft sorgte. Man hüllte sich in allerlei Pullover und Jacken ein und kuschelte sich im Stehen, Sitzen oder Liegen zusammen und genoss es einfach. Ganz nach dem Motto „Ein Glas auf uns und eins auf die See“ aus dem Pfadfinderlied „An Land“ aus dem Liederbuch Ohrwurm. Natürlich testeten wir uns regelmäßig auf Corona, um uns nicht gegenseitig anzustecken. Eins meiner persönlichen Highlights war beispielsweise der Abend in den Dünen. Auf Terschelling wanderten wir in die den Häusern höhergelegenen Dünen, wo wir es uns mit Blick auf den Leuchtturm gemütlich machten und bei Kerzenschein und Taschenlampen in die Dämmerung hineinsangen. Die Sterne leuchteten von oben auf uns herab und die Atmosphäre wurde im Herzen festgehalten. Als uns irgendwann die Füße einschliefen und es zu kalt wurde, liefen wir zurück zum Hafen, wo wir unter Deck von den früheren Heimkehrern mit heißem Tschai nach einem Geheimrezept empfangen wurden und es uns dort gemütlich machten.
Der nächste Vormittag wurde dazu genutzt, noch etwas Zeit an Land zu verbringen, um am Strand spazieren zu gehen, bis die Ebbe der Flut wich oder die schöne niederländische Inselstadt in ihrer ganzen Pracht noch einmal zu bewundern. Dann ging es wieder auf die nächste Fahrt und es wurde mitgeholfen oder die Seele baumeln gelassen, wobei die Gruppe immer weiter zusammenwuchs. Gegen Spätnachmittag sind wir an unserem nächsten Ziel angekommen, in Vlieland, wobei sich die Segelcrew maßgeblich in zwei Gruppen aufgeteilt hat: Die eifrigen Schwimmer, die sich trotz der nicht ganz sommerlichen Temperaturen, Winden und Meeresströmungen ins kühle Nass getraut haben, und die Inseltouristen, die lieber vom Trockenen aus den schönen Fleck Erde begutachten wollten. An diesem Abend haben sich alle auf festem Boden am Hafen getroffen, da der Wunsch nach einer gemeinsamen Spielerunde groß war. Wir haben Spiele wie „Saustall“ und „Antiverstecken“ mit großer Hinhabe gespielt. Wem diese Namen nichts sagen, ist herzlich dazu eingeladen, sie auf dem nächsten Segeltörn kennenzulernen. Bei „Antiverstecken“ waren einige Versteckte so gut, dass wir das Suchen nach langer Zeit fast schon aufgegeben haben und die Umgebung wurde nochmal auf ganz andere Weise mit Spiel, Spaß und Sport wahrgenommen. Als Nachtruhe im Hafen war, hat sich eine Gruppe zum Singen auf einem Steg getroffen und bei Kerzenschein und Meeresrauschen kam nochmal Stimmung auf. Eine andere Gruppe blieb auf der Bree Sant oder ging spazieren. Es wurden außerdem Massageketten gebildet und Sternschnuppen beobachtet.
Am fünften Tag des Segeltörns hatten wir sehr gutes Segelwetter, was jedoch auch einen Nachteil beinhaltete. Wir waren in einer starken Schieflage und nur die ganz segelfesten Passagiere hatten auch unter Deck kein Problem damit. Die ganz Taffen wagten sich jedoch sogar bis an die Spitze des Schiffs, wo sie spürten, wie das Gefährt bei hohen Wellen kurzzeitig richtig abhob. Das war eine wilde Fahrt, die letztendlich aber alle gut überstanden haben. Spätnachmittags sind wir dann irgendwo vor Texel auf einer Sandbank trocken gelaufen und es gab die Möglichkeit, schwimmen zu gehen, bis wir den Boden vollständig sehen konnten. Als es dann wirklich Ebbe war, konnte man auch mit Klamotten von der Bree Sant klettern und den sandigen Boden betreten. Eine große Sandbank mitten im Meer hatte sich aufgrund der Ebbe in eine riesige Insel verwandelt und man konnte weite Spaziergänge wagen, auf denen kleine Seesterne, Quallen und Krebse gesichtet wurden. Die weite Ebene war fast wie eine andere Welt mit ein paar lieben Menschen und einem hübschen Boot. Und sonst nur die Freiheit. Nach dem Dinner haben wir die Situation genutzt, uns mitten im Ozean an keine Nachtruhe halten zu müssen und erstmal Liederbücher und Gitarren rausgeholt, an Deck natürlich, weil das Wasser langsam zurückkam. Die Stimmung war glorreich und die Nacht, die wir im Meeresboden verankert, genau dort verbrachten, auch.
Schnell war auch schon der vorletzte Tag angebrochen. Die Gemeinschaft und das Vertrauen, das entstanden ist, obwohl sich manche noch gar nicht so lange kennen, war unglaublich schön. Irgendwann sind wir dann wieder durch die Schleuse gefahren und mit dem frischen Süßwasser wurde erstmal fleißig das Deck geschrubbt. Dabei gab es sogar motivierende musikalische Begleitung mit Liedern aus dem Ohrwurm, dem Piratennest, und vielen mehr. Wir waren bis abends unterwegs, aber die Zeit zog schneller vorbei. Als wir an dem Hafen der etwas größeren Inselstadt Hoorn angelegt hatten, sind die meisten schnell aufgebrochen, um die Umgebung anzuschauen. Für den letzten Abend wurde sich nochmal hübsch gemacht und nach dem Essen sind wir dann alle zusammen losgezogen. Ein Teil der Gruppe hat sich in eine Art Biergarten in der Innenstadt gesetzt, natürlich mit genug Platz und an der frischen Luft wegen Corona und den letzten Abend bei guter Unterhaltung und einem Bierchen oder einer Cola genossen. Ein anderer Teil der Gruppe ist weiter durch die Nacht gezogen, hat lange Spaziergänge unternommen und die Gegend unsicher gemacht.
Gute und vertraute Gespräche wurden geführt, es wurde zusammen gelacht und geweint und als wir früher oder später genug von der frischen Luft hatten, hat ein musisch begabter Teilnehmer noch wundervolle Schlaflieder gespielt und gesungen, sodass auch wirklich alle zufrieden und müde ins Bette gehen konnten. Wem es dann doch noch immer nicht gereicht hat, ist nochmal spazieren gegangen oder hat sich die Sterne von der Bree Sant aus angesehen, bis spät in die Nacht. Die letzten Abende sind doch immer die besten und dann, wenn du die Leute richtig kennenlernst, ist es bald auch schon wieder an der Zeit, sich zu verabschieden…
Der letzte Tag ging für alle viel zu schnell vorüber, die letzten Stunden wurden zusammen genossen, wobei bei vielen auch schon etwas Wehmut dabei war. Es gab zum Abschluss nochmal richtig gutes Wetter, an Deck wurden die leckeren Pancakes verspeist, danach die Segel ausgepackt und es ging wieder zurück Richtung Enkhuizen. Ein letztes Mal Singen und sich noch einmal mit der Melodie des Meeresrauschens zu Sonnen durfte natürlich auch nicht fehlen. Genauso sollte Urlaub sein. Eine gute Gemeinschaft, tolle Erlebnisse, an die man zurückdenkt, Aufgaben, die Spaß machen und wobei man etwas lernen kann, aber auch Zeit für sich selbst, um die Seele zur Ruhe zu bringen. Nach dem letzten gemeinsamen Lunch waren wir auch bald wieder zurück im Hafen. Traditionell gingen wir nach dem Aufräumen und Putzen der Bree Sant alle zusammen am Hafen Pommes essen. Allen fiel der Abschied schwer, aber viele werden sich hoffentlich spätestens nächstes Jahr wiedersehen. Und so trennten sich die Wege, einige fuhren mit dem Auto, andere mit dem Zug, in gleiche und später dann unterschiedliche Himmelsrichtungen. Aber auch wenn sich unsere Wege trennten, im Herzen bleiben wir verbunden. Alle waren ziemlich müde, aber kehrten zugleich glücklich und mit neuen Erfahrungen heim. Dabei wurden nicht nur zahlreiche Praktiken des Segelns erlernt, sondern auch neue Essgewohnheiten verinnerlicht. So berichtete ein Pfadfinder, dass er „auf dem Segeltörn [gelernt hat, dass] man […] einfach alles zusammenmixen und mit Apfelmus essen [kann]“. Diese Freizeit darfst du auf keinen Fall verpassen, denn die Atmosphäre, die Gemeinschaft und die Erlebnisse behältst du für immer im Herzen.
Text: Hanni; Bilder: Ikki, Kai, Hanni, Adrian, Hendrik, Leon, Rapunzel